Weiter geht es in meiner Serie “Nachhaltigkeit – was ist das eigentlich?“. Nachdem ich mich im ersten Teil mit Ressourcen und Lebensdauer beschäftigt habe, möchte ich im zweiten Teil auf das Recycling eingehen. Ein wichtiger Bestandteil nachhaltigen Lebens und Wirtschaftens ist es, dass die verwendeten Rohstoffe wiederverwendet werden. Und dies möglichst als mindestens ebenso wertvolle Ressource. Die Bandbreite reicht vom recycelten Bauschutt bis hin zu Altbauten, die nachhaltig saniert werden. Ich stelle Euch einige interssante Beispiele vor und zeige auf, wie gutes Recycling möglich ist.
In der Natur wird alles, was abstirbt und verottet, wieder in den Kreislauf eingebunden und Neues entsteht. Dies ist auch das Prinzip von Cradle-to-Cradle. “Die Natur kennt keinen Abfall” heißt es auf der Website des gemeinnützigen Cradle to Cradle e.V.. Auch für die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Dr. Barbara Hendricks ist das “Green Management“, wie sie es in der gleichnamigen Broschüre nennt, die betriebswirtschaftliche Antwort auf die Herausforderungen durch Klimawandel, Energiewende und Ressourcenknappheit. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft müssen Produkte und Abläufe demnach von Anfang an auf die gesamte Nutzungsdauer hin geplant und entwickelt werden. Von der Gewinnung, der Verarbeitung, Nutzung bis hin zum Recycling sollte der Verwertungs-Kreislauf von Stoffen komplett durchdacht werden. “Was recycelt werden soll, muss heute schon so geplant und verbaut werden, dass es sich kostengünstig trennen und verwerten lässt”, so der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz Gerold Reker. Rohstoffe nutzbar zu machen, ist oftmals mit einem großen Energieaufwand und weitreichenden Eingriffen in die Natur verbunden. Deshalb ist es nachhaltig, diese Baustoffe wiederzuverwenden.
Ressourcen schonen, erfordert ein Denken und Handeln in Kreisläufen. Klick um zu TweetenSchöne Theorie, aber wie sieht es in der Praxis aus? Beim Bauen und Wohnen ist man von einer komplett nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sicherlich noch weit entfernt. Der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz Gerold Reker sieht in dem Prinzip der ewigen Kreisläufe beim Bauen noch eine Utopie, wie er im Deutschen Architektenblatt schreibt, an der aber weltweit kreative Köpfe arbeiten. Und Kreativität sowie das Verlassen der bekannten Wege benötigt es auch, um etwas zu verändern. Und zwar nicht nur bei den Herstellern und Verarbeitern, sondern auch bei den Endverbrauchern. Denn diese sind es letztendlich, die entscheiden, was auf dem Markt Erfolg hat.
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, kurz DGNB, hat ein Zertifizierungsverfahren für Nachhaltigkeit entwickelt, bei dem es auf ein “sorgfältig ausbalanciertes Zusammenspiel von Effizienz, Suffizienz und Konsistenz” ankommt. Die Recyclingfreundlichkeit eines eingesetzten Bauteils wird danach beurteilt, wie leicht und zerstörungsfrei es zur Wiederverwendung entfernt werden kann. Nur was sortenrein getrennt werden kann, kann auch gut recycelt werden. Des Weiteren ist für die Bewertung entscheidend, ob sich Bauteile zu gleich- oder höherwertigen Rohstoffen verwerten lassen. “Der Weg zum Downcycling, also der Abwärtsverwertung, die den ursprünglichen Baustoff einer weniger wertvollen Nachnutzung zuführt, hin zu echten Kreisläufen erfordert innovative Planung”, so Gerold Reker.
Die Fensterbranche kümmert sich schon seit einigen Jahren mit der Initiative Rewindo um das Kunststoff-Recycling. Der Zusammenschluss führender deutscher Kunststoffprofilhersteller verfolgt das selbstverpflichtende Ziel, die Recyclingquoten von ausgebauten Fenstern, Rollläden und Türen aus Kunststoff zu erhöhen. Laut eigenen Angaben steigt die Recyclatmenge kontinuierlich, 2012 sollen über 22.000 Tonnen Recyclat wieder in den Produktionsprozess eingegangen sein. Den laut Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe e.V. größten Abfallstrom in Deutschland stellen mineralische Bauabfälle dar. Bis zu 200 Millionen Tonnen an Kies, Sand, Zement, Kalk, Gips und Baukeramik und Ähnlichem fallen jedes Jahr an. In einer Pressemitteilung im Februar 2015 bei der Veröffentlichung des Monitoring-Berichts basierend auf Daten des Jahres 2012 meldet die Bundesgütegemeinschaft, dass “über 90 Prozent aller mineralischen Bauabfälle umweltverträglich verwertet werden”. Vieles davon bekommt der private Bauherr nicht mit, da die recycelten Baustoffe insbesondere im Straßenbau eine Verwendung finden. Auch Recyclingbeton besteht zu einem gewissen Teil aus aufgearbeiteten Bauschutt. Mit seiner Verwendung werden Ressourcen und das Klima geschont.
Eine direkte Art des Recycelns bietet sich dem privaten Bauherren, indem er alte Baumaterialien verwendet oder gar ganze Recyclinghäuser kauft. Das gibt es tatsächlich. Martin Blöcher beispielsweise verkauft nicht nur historische Baustoffe, sondern auch ganze Häuser. Mit seiner Baustoff-Recycling GmbH recycelt er historische Häuser und baut sie an anderer Stelle als überarbeiteten Bau wieder auf. Je älter Gebäude sind, desto größer ist die Chance auf Recycling. Denn damals wurden noch Vollhölzer verwendet. Später bestanden die Balken aus für das Bauen weniger beständigem Splintholz und ab den 20ern sind dann vermehrt Holzschutzmittel verwendet worden, die eine Wiederverwertung zunichte machen. Doch gut erhaltene ursprüngliche Baustoffe können immer recycelt werden. Nach dem Motto “Abfall entsteht aus Mangel an Phantasie” findet dabei fast jedes historische Material einen neue Verwendung. Martin Blöcher gibt geschichtsträchtigen Häusern oder Teilen daraus ein neues Leben. Dabei ist der Rückbau zur Wiederverwendung wesentlich aufwändiger als der reine Abriss, und damit auch teuerer. Doch mit den gegengerechneten Erträgen der historischen Baustoffe rechne es sich doch meistens. Die Käufer eines solchen Recycling-Hauses erwartet ein besonderes Ambiente und Wohnklima.
Je älter ein Gebäude ist, desto größer ist die Chance auf Recycling. Klick um zu TweetenGebäude können ebenfalls recycelt werden, in dem man den gesamten Bau bestehen lässt und fachgerecht saniert. Dabei werden viele Ressourcen gespart. Wie aus einem alten, denkmalgeschützten Gebäude eines der modernsten Bankhäuser Europas werden kann, zeigt die HypoVereinsbank mit ihrem Unternehmenssitz in München. “Wir haben den HVB-Tower zum einen mit einer zeitgemäßen Innenarchitektur und -gestaltung versehen und ihn als Unternehmenssitz der Bank reaktiviert”, heißt es in einer Beschreibung des Projekts auf der Homepage. Anstatt neu zu bauen, bewahrte das Unternehmen den vor rund 35 Jahren erbauten HVB-Tower. Eine große Herausforderung. Nicht zuletzt, weil der HVB-Tower ein Unikat ist und mit seiner extrovertierten Formgebung aufgrund der außergewöhnlichen Anordnung der Baukörper sowie seiner einzigartigen Aluminiumhaut die Silhouette Münchens prägt. Die von den Erbauern Walther und Bea Betz Architekten angestrebte “Entmaterialisierung des Gebäudes durch die Fassade” lässt das Hochhaus je nach Wetterlage in silbern, weiß, bläulichen bis hin zu goldenen und roten Farbtönen schimmern.
Bei der Sanierung durch HENN Architekten sollten die äußeren Merkmale des Hochhauses erhalten und mit zeitgemäßen technischen Anforderungen vereinbart werden. Die neue Fassade sollte wie der ursprüngliche Bau im wechselnden Farbenspiel erstrahlen und den Himmel mit seinen unterschiedlichen Stimmungen wiederspiegeln. Da das Gebäude ein “Green-Building” mit LEED-Zertifizierung werden sollte, gehörte es auch dazu, die demontierten Fassadenelemente sortenrein zu trennen. Die Aluminium-Außenschalen der Brüstung wurden gesäubert und wiederverwendet, Aluminium ist ein wertvoller Rohstoff. Die Teile, die nicht wieder genutzt werden konnten, wurden größtenteils recycelt. Mit modernster Anlagentechnik ist es gelungen, ein zeitgemäßes Raumklimakonzept mit scheinbar unveränderter Fassade zu erreichen.
Zeitgemäß saniertes Hochhaus mit scheinbar unveränderter Fassade. Klick um zu TweetenAus der alten einschaligen Fassade wurde nach eingehender Prüfung eine zweischalige Elementfassade als Kastenfenster. Die innere Schale enthält elektrisch steuerbare Fenster mit Isolierglas. Die Außenschale unterscheidet sich nur durch eine geringfügige Perforation von der ursprünglichen Fassade. Die Spiegelung des Himmels, die von den Ursprungsarchitekten mit einer Gold-/Silber-Badampfung der Isolierglasscheiben erreicht wurde, wird nun durch eine Sonnenschutzbeschichtung der isolierenden Festverglasung der Außenschale erzielt. Moderne Heiz- und Kühldecken werden über eine Geothermie-Anlage versorgt und schaffen ein angenehmes Raumklima. Das sanierte Gebäude erhielt die LEED-Platinum Zertifizierung und entspricht damit höchsten internationalen Nachhaltigkeits-Standards.
Doch auch im Neubau gibt es Ansätze, Baustoffe aus recycelten Materialien zu entwickeln. So zum Beispiel das Prinzip von Ecocell. Die für den GreenTec Award 2016 nominierte Leichtbauweise besteht aus Recycling-Papier. Nach dem Vorbild der stabilen Bienenwabe, wurde die Betonwabe aus Recycling-Papier entwickelt. Die Zementbeschichtung unterstützt die Stabilität und sorgt für den Brandschutz. In Form eines ein- oder mehrlagigen Sandwiches zwischen Holzplanken wird ein Bausystem daraus. Die Bauteile des Systems wie Wand- und Deckenelemente entstehen in Trockenbauweise im Werk. Die Bauelemente werden mit Nut und Feder miteinander verbunden und verschraubt. Damit kann das Bausystem wieder abgebaut und neu verwendet werden. Erste Häuser aus dem neuartigen Baumaterial wurden in der Ostschweiz errichtet. Ebenfalls ein spannender Ansatz.
Neuartiger Baustoff aus Recycling-Papier. Klick um zu TweetenBei der Frage nach der Nachhaltigkeit spielt das Recycling eine wichtige Rolle. Alle Rohstoffe, die für ein Produkt verwendet werden sollten möglichst wiederverwendet werden können. Damit werden wertvolle Rohstoffe sowie der Energieverbrauch zur Herstellung möglichst optimal genutzt. Leider ist der Gesichtspunkt des Recyclings bei vielen Käufern nicht im Fokus. Wer sich ein Haus, ein Möbelstück oder ein anderes Produkt kauft, bei dem ist die Entsorgung in weiter Ferne. Zum Wohle der Nachhaltigkeit ist hier aber ein weitsichtiger Blick gefragt. “Wer das Morgen nicht bedenkt, wird Kummer haben, bevor das Heute zu Ende geht”, wusste schon Konfuzius.
Im dritten Teil meiner Nachhaltigkeits-Serie wird es um nachhaltige Energiekonzepte für Häuser gehen und im Teil 4 werde ich mich mit den wirtschaftlichen sowie sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit beschäftigen. Am Ende steht die Frage: Wie kann ich als Laie Nachhaltigkeit sicher stellen? Ich werde Euch ein paar Tipps geben, wo man Experten findet, wie man Bauprodukte auswählt usw. Wenn Ihr die weiterfolgenden Teile nicht verpassen möchtet, dann tragt Euch doch gleich in den Newsletter ein. Da ich mich bemühe, meinen Abonnenten mehr zu bieten, gibt es für sie am Ende der Serie eine Checkliste „Nachhaltigkeit“ zum Download. Mithilfe der Checkliste kannst Du Produkte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit bewerten und vergleichen.
Joachim Hussing meint
Danke, dass Sie erwähnt haben, wie es möglich ist, Baustoffe zu recyceln. Ich denke darüber nach, mit dem Bau meines Hauses zu beginnen. Ich werde einige Nachforschungen anstellen, um herauszufinden, ob ich die Baustoffe, die ich schließlich verwende, recyceln kann.