Aus den manchmal unergründlichen Tiefen des Social Media wurde mir ein Text zugetragen, Autor* leider unbekannt, der mich zu einigen Gedanken veranlasst hat. Haben wir vor 20 Jahren als die Begriffe Umweltschutz & Co noch nicht so geläufig waren, den besseren Umweltschutz betrieben als heute? Das Motto “früher war alles besser” war noch nie ein gutes Argument und wird es auch in Zukunft nicht sein. Allerdings bestehen in unserer fortschrittlichen und hochtechnologisierten Welt so manche Wiedersprüche, deren Betrachtung ich einige Aufmerksamkeit schenken möchte. Denn nicht immer kommt bei dem Prädikat “Umweltschutz” auch wirklich die Schonung unserer Ressourcen, der Natur und unseres Umfeldes heraus. Warum das so ist, könnt Ihr im folgenden Artikel lesen.
Umweltschutz, Bio und Nachhaltigkeit scheinen zunehmend im Bewusstsein der Bevölkerung Deutschlands verankert zu sein. Fast ein Drittel der Befragten einer repräsentativen Online-Befragung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Jahr 2014 nannten “Aspekte von Natur und Umwelt als wichtige Bestandteile des guten Lebens”. Auffällig finde ich, dass dieses Bedüfnis sehr stark mit dem Kauf von neuentwickelten energiesparenden Produkten in Verbindung gebracht wird. Es geht weniger um unser Verbraucher- und Konsumverhalten. Natürlich konsumiert jeder von uns und keiner will auf die Bequemlichkeiten der modernen Welt gänzlich verzichten. Oftmals sind es aber die kleinen Dinge, die eine große Wirkung erzielen.
Für den Umweltschutz ist unser Verhalten ausschlaggebend. Klick um zu Tweeten
Der oben genannte Text, der mich zu meinen Gedanken inspiriert hat, beginnt wie folgt:
Neulich an der Supermarktkasse machte mir die junge Kassiererin den Vorschlag, doch bitte eigene Taschen mitzubringen, anstatt neue Plastiktüten zu kaufen.
Ich erwiderte entschuldigend: “Wir hatten das mit dem Umweltschutz früher nicht so.” Sie entgegnete mir: “Sehen Sie, das ist heute genau das Problem: Ihre Generation hat zu wenig zum Schutze der Umwelt und künftiger Generationen getan!” Sie hatte völlig recht damit. ‘Umweltschutz’ gab es damals zu “unserer” Zeit nicht.
Aber was hatten wir dann?
Nach einigem Sinnen und schwelgen in Erinnerungen an das, was “unsere” Zeit so bot, habe ich hier die Dinge, an die ich mich erinnern kann: Damals brachten wir leere Milchflaschen, Bierflaschen, Colaflaschen und Selterflaschen als Pfandflaschen zurück. Das Geschäft brachte die Flaschen zum Hersteller. Der hat sie gereinigt und sie desinfiziert, damit sie mehrmals benutzt werden konnten. Die Flaschen wurden also richtig recycelt. Aber ‘Umweltschutz’ gab es damals nicht.
Mal ganz abgesehen davon, dass man die Verwendung Plastiktüten wirklich sehr einfach vermeiden kann und dies sehr wichtig für unsere Umwelt ist, geht es hier doch auch darum, dass Dinge mehrfach Verwendung fanden. Die zunehmende Einmalverwendung führt zu einem riesigen Müllberg. Laut Statistischem Bundesamt kam 2014 auf jeden Einwohner jährlich im Durchschnitt 462 Kilogramm an Haushaltsmüll. Heute muss man sich bewusst darüber Gedanken machen, wie man Müll vermeiden kann. Schnell ist das Müllfach für die gelbe Tonne nach einem Einkauf voll und wer ein Paket bekommt, hat hinterher einen Berg an Abfall zu entsorgen. Natürlich kann man das auch anders machen, aber es Bedarf einem Bewusstsein und einem veränderten Verhalten. Denn wer in die Supermarktketten einkaufen geht, wo alle einkaufen gehen und konsumiert, was man landläufig heute so zu sich nimmt, produziert zwangsläufig Müll. Alles ist eingeschweißt und verpackt, dem kann man sich nur entziehen, wenn man bewusst anders einkaufen geht.
Weiter geht es im Text mit…
Wir sind Treppen gelaufen, weil es nicht für jede einzelne Etage in jedem Bürogebäude und Kaufhaus einen Aufzug oder Rolltreppen gab. Wir sind zum Supermarkt gelaufen, anstatt uns in eine Maschine mit 300 PS zu setzen, um zwei Minuten Fußweg zu sparen. Aber die Verkäuferin hatte recht: ‘Umweltschutz’ gab es zu unserer Zeit nicht.
Anstatt die Wegwerfvariante zu kaufen, haben wir damals die Windeln gewaschen. Wir haben Wäsche auf der Leine im Hof getrocknet, anstatt dafür eine energiefressende Apparatur zu benutzen, die 230 Volt frisst – Windkraft und Solarenergie haben das für uns erledigt.
Keiner möchte auf den Komfort technischer Errungenschaften mehr verzichten – und darum geht es auch nicht. Vielmehr geht es um die Art, wie wir diese technischen Hilfsmittel einsetzen. Ich muss auch schmunzeln, wenn ich Treppen steige und meine Begleitung mit fadenscheiniger Ausrede die Rolltreppe benutzt, dafür aber zweimal die Woche im Fitnessstudio auf dem Stepper steht. Tatsächlich ist aktuelle Bewegungsmangel und die Folgen daraus ein Thema im Rahmen der Nachhaltigkeitsüberlegungen. Dabei geht es nicht um den Sport am Abend, dieser kann den oftmals hochtechnisierten und bewegungsarmen Alltag nicht ausgleichen. Wie man wieder mehr Bewegung in den beruflichen Alltag der Menschen bringen kann, beschäftigt viele Fachleute. Das Tragen von hippen, bunten Armbändern, die natürlich aus Kunststoff sind und Energie benötigen, ist sicherlich nicht die Lösung. Doch dazu mehr in einem anderen Artikel, den ich schon in Planung habe.
Energiesparende Geräte sind kein Freibrief für uneingeschränkten Gebrauch. Klick um zu Tweeten
Energiesparende Geräte scheinen vielmals der Freibrief für uneingeschränkten und maßlosen Gebrauch zu sein. So bringt es beispielsweise nichts, energiesparende Kühlschränke A++ einzusetzen, wenn man dafür nicht nur einen, sondern gleich zwei riesige Exemplare davon besitzt und die Türen offen stehen lässt. Eingespart wird nur dann, wenn auch das Verbraucherverhalten entsprechend ist. In meiner Kindheit (um das genauer zu definieren, in den 70ern) war ein Kühlschrank pro Haushalt Standard, dessen Ausmaße im Vergleich zu den im Trend liegenden, nach amerikanischem Vorbild konzipierten Modellen zierlich zu nennen sind. Fraglich erscheint mir auch die Empfehlung, alte Geräte in jedem Fall möglichst rasch durch energiesparende Produkte auszutauschen. Die Produktion neuer Geräte benötigt immer große Ressoucen- und Energiemengen, die den Mehrverbrauch an Energie des alten Gerätes in der Regel um ein Vielfaches überschreiten. Da ist es oftmals nachhaltiger, das alte Gerät zu nutzen und pflegen, solange es funktioniert. Außerdem sind für viele Tätigkeiten beispielsweise in der Küche elektrische Geräte nicht unbedingt nötig. Da kann man ruhig auf die guten alten Haushaltsgeräte wie den handbetriebenen Dosenöffner oder das Brotschneitmesser zurückgreifen.
Der unbekannte Autor führt nun weiter aus…
Kinder bekamen die Kleidung der älteren Geschwister und nicht bei jeder Gelegenheit brandneue Klamotten. Aber sie hatte trotzdem recht, ‘Umweltschutz’ gab es damals einfach nicht.
Früher zu “unserer Zeit” gab es einen Fernseher oder ein Radio im Haus. Und nicht jeweils beides in jedem Zimmer einschließlich der Toilette. Der Fernseher hatte das handliche Bild einer Serviette und nicht die Größe von Manhattan. In der Küche haben wir mit der Hand gerührt und gemischt, weil es dafür einfach keine elektrischen Geräte hatte. Zum Einpacken von zerbrechlichen Geschenken haben wir alte Zeitungen zerknüllt und in das Paket getan, und nicht diese Styro Chips oder Blasenfolie. Zu “unserer Zeit” haben wir fürs Rasenmähen der 20 Quadratmeter hinter dem Haus keinen 10-PS-Motormäher angeworfen, sondern einen menschbetriebenen Handmäher benutzt.
Das war dann auch gleichzeit Sport, für den wir heute in ein Fitnesscenter laufen, wo wir auf elektrisch betriebenen Laufbändern joggen. Und doch hatte die Kassiererin recht: ‘Umweltschutz’ hatten wir zu “unserer Zeit” nicht.
Ohne Hinterfragen setzen wir elektronische Helferlein ein, die uns in noch größerem Maße von Energiequellen abhängig machen. Der Wiederspruch scheint nicht zu stören: Wir bauen energiesparende Häuser, die voller energieverbrauchender Techniken wie Zugangskontrolle, selbststeuernde Rolläden, automatische Temperatureinstellung und Lüftung, Lichtszenarien bis hin zum selbstbestellenden Kühlschrank sind. Wir kaufen energiesparende Autos, die heute so hochtechnisiert sind, dass wir selbst nichts mehr daran reparieren können und ein unergründlicher Systemfehler mehr Probleme als ein Blechschaden hervorruft. Wir besitzen nicht mehr nur ein Telefon, sondern jedes Familienmitglied eines. Moderne Häuser sind heute vollvernetzt und multimedial. In jedem Zimmer, selbst in Küche, Kinderzimmer und auf dem WC, liegen alle Anschlüsse für die ensprechende Geräte bereit. Da spielt es keine Rolle mehr, ob die Geräte energiesparend sind oder nicht, die Masse verbraucht einfach mehr Energie – und zwar nicht nur im Verbrauch, sondern ganz besonders auch in der Herstellung.
Weiter gehen die Erinnerungen des unbekannten Autors…
Waren wir durstig, dann tranken wir Wasser aus dem Wasserhahn. Wir haben nicht für jeden Schluck einen neuen Plastikbecher benutzt und das Wasser in Plastikflaschen aus dem Supermarkt geholt. Wir haben Füllfederhalter nachgefüllt und nicht gleich den ganzen Stift weggeworfen. Auch unsere Rasiermesserklingen haben wir getauscht, obwohl es doch viel einfacher ist, gleich den ganzen Rasierer wegzuwerfen , bloß weil die Klinge stumpf geworden ist. Aber ‘Umweltschutz’ hatten wir nicht.
Damals nahmen Leute den Bus und Kinder fuhren mit dem Fahrrad zur Schule (oder sie gingen zu Fuß) anstatt ihre Mütter in einen 24-Stunden-Taxi-Service zu verwandeln. Wir hatten in jedem Raum eine Steckdose. EINE. Und nicht gleich eine ganze Batterie davon, um elektrischen Schnickschnack im Dutzend zu betreiben. Und wir brauchten auch kein computerisiertes Spielzeug, was seine Signale 20.000 km ins All sendet, nur um herauszufinden, wo der nächste Pizzaladen ist.
Aber ist es nicht traurig, dass die junge Generation herumlamentiert, wie verschwenderisch wir mit unseren Ressourcen umgegangen sind, weil wir damals keinen ‘Umweltschutz’ hatten?
Wer’s mag, postet das bei sich.”
“To go” ist heute schick und gehört zum Establishment. Doch “to go” produziert auch Müllberge, die eigentlich nicht nötig wären. Die Zeit für einen Kaffee oder ein Wasser im Lokal, scheint oftmals nicht mehr vorhanden zu sein. Über die Probleme, die schnelles unbewusstes Essen hervorrufen kann, wollen wir gar nicht reden. Wir entwickeln uns tatsächlich immer mehr in eine Wegwerfgesellschaft, in der die Dinge ihren Wert verlieren und einfach ausgetauscht werden. Es wird konsumiert, was das Zeug hält. Oftmals ohne darüber nachzudenken, ob wir auch alles brauchen, was wir da konsumieren.
'To go' produziert unnötige Müllberge. Klick um zu Tweeten
Doch natürlich war früher nicht alles besser. Die Entwicklungen und Erkenntnisse gehen weiter und dies ist gut so und bringt neue Möglichkeiten – gerade auch im Umweltschutz. In den Aufschwungjahren wusste man über viele schädliche Auswirkungen nicht Bescheid oder wollte sie nicht sehen. Da sollten wir aber dazugelernt haben. Aber: Immer noch werden Produkte hergestellt und vermarktet, deren Entsorgung problematisch oder nicht geklärt ist. Immer noch werfen Menschen ihren Müll in die Natur. Immer noch kommen zahlreiche erdölbasierte, chemische und elektrische Produkte auf den Markt. Immer noch werden wissentlich Inhaltsstoffe verwendet, die für Mensch und Umwelt schädlich sind und durch unbedenkliche Stoffe ausgetauscht werden könnten. Immer noch scheinen viele Menschen keine Bedenken zu haben, immer mehr künstliche Materialien in ihrem Umfeld zu verwenden. Frei nach dem Motto “was ich nicht sehen kann, gibt es nicht” werden mögliche Schädigungen und Auswirkungen einfach negiert.
Es ist sicherlich nicht alles besser was früher war, aber es ist ganz bestimmt auch nicht alles gut, was heute unter dem Prädikat “Umweltschutz”, “Bio” und “Nachhaltigkeit” passiert. Das Ganze ist ein riesiger lukrativer Markt. Schade eigentlich, denn unsere Umwelt und unsere Gesundheit ist das kostbarste Gut.
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