Mit dem Port House in Antwerpen sollte ein weithin sichtbares Zeichen für die Zukunft des Seehandels gesetzt werden. Ein funkelnder Leuchtturm, der selbstbewusst Größe zeigt, aber auch im Umgang mit dem bestehenden Gebäude und seiner Entwurfs- sowie Produktionsweise zukunftsweisend ist. Zaha Hadid Architects haben 2007 den ausgelobten Wettbewerb für dieses Projekt gewonnen. Nun wurde der noch mit der verstorbenen Zaha Hadid geplante Bau fertig gestellt. Ich möchte Euch die Entstehungsweise und die Besonderheiten dieses spektakulären Erweiterungsbaus vorstellen.
Ehemalige Feuerwache wird in Neuzeit transformiert
Die ehemalige Feuerwache im hanseatischen Stil sollte sich zum neuen Headquarter der Hafenbehörde von Antwerpen verwandeln. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes fiel die Entscheidung für einen Erweiterungsbau, der scheinbar über dem alten Gebäude zu schweben scheint. Warum nicht einfach ein seitlicher Anbau? Zum einen war im ursprünglichen Entwurf ein Turm als weithin sichtbares Merkmal eingeplant. Dieses Wahrzeichen wurde aber nie realisiert. Zum anderen wollte man die Fassadengestaltung nicht zerstören. Das alte Gebäude besitzt vier gleichrangige Fassaden. “Für einen Bau dieser Zeit ist das recht ungewöhnlich“, erklärt Joris Pauwels, verantwortlicher Direktor für das Post House bei Zaha Hadid Architects. “Daraus ergibt sich ein weiterer Grund, warum wir sofort dachten, dass es interessant wäre, etwas auf das Gebäude zu setzen und nicht davor, weil es dort eine der Fassaden blockieren würde.”
Eines der weltweit ersten noch mit Zaha Hadid geplanten Projekte, das jetzt fertig gestellt wurde. Klick um zu TweetenAlt- und Neubau ergeben eine Einheit
Die alte Feuerwache wurde weitgehend erhalten und restauriert. Beispielsweise blieb das Ziegelmauerwerk erhalten und, wenn möglich, wurden die Originaltüren verwendet oder nachgearbeitet. Die Konstruktion des Neubaus ist völlig unabhängig vom alten Gebäude. Die Betonbrücke beziehungsweise zwei Betonringe, einer über dem Südflügel des historischen Baus und einer unterirdisch, tragen den Neubau. Die schwarzen Säulen im Lichthof sind für die Querstabilität verantwortlich. So sind zwei völlig unterschiedliche Gebäude entstanden, die gleichberechtigt ein neues Ganzes ergeben.
Das Port House in Antwerpen glänzt mit einer spektakulären Glasfassade. Klick um zu TweetenDamit dies trotz aller Unterschiede funktioniert, müssen beide Gebäude das gleiche Raumvolumen haben. Wäre der Neubau im Verhältnis zu groß, wäre das Gleichgewicht gestört und die einheitliche Wirkung dahin. Gemeinsame Bereiche in der Mitte des Gebäudes wie ein Vortragssaal, ein Restaurant, das Foyer und Tagungsräume verbinden die beiden Gebäude funktional. Denn Alt und Neu sollten nicht nur optisch, sondern auch in der Nutzung optimal harmonieren.
Glasfassade bringt Dynamik ins Spiel
Der statisch eckige und eher nüchterne Bestandsbau erhält durch den Erweiterungsbau Dynamik. “Wir wollten, dass das neue Volumen im Kontrast zur statischen Würde des bestehenden Gebäudes dynamisch erscheint”, so der Architekt. Der Erweiterungsbau zeigt wie der Bug eines Schiffes in Richtung Fluss und schafft so die Verbindung zwischen Gebäude und dem umliegenden Wasser. Das Besondere ist natürlich die verglaste Fassade. “Um diese Dynamik ebenso wie die Geometrie zu verstärken, wollten wir, dass es aussieht, als wäre der Baukörper in Bewegung“, beschreibt Pauwels das Konzept.
Dreieckige Fassadensegmente bringen Dynamik in den Baukörper. Klick um zu TweetenDie Fassade scheint sich wellenartig zu bewegen und reflektiert die Stimmungen des Himmels. Damit ist sie ein dynamisches Pendant zum umgebenden Wasserspiegel. Die Sonderkonstruktion wurde gemeinsam von Architekten, Fassadenplanern und Schüco entwickelt. Mit den dreieckigen Segmenten können scheinbar mühelos Kurven und Formen gebildet werden sowie Übergänge zwischen flach und rau geschaffen werden. Die Fasssade ist am Südende flach, während sie im Norden zu einer wellenartigen Oberfläche übergeht.
Modernes Computerprogramm errechnet Fassadenkonzept
Bei solche einem außergewöhnlichen Fassadenkonzept geht es darum, die ästhetischen Vorgaben der Architekten zu erfüllen, aber auch wirtschaftlich zu denken. Dabei sind moderne Computerprogramme nicht mehr wegzudenken. “Aufgrund der Komplexität der Fassade war ein Programm wie unser 3D-CAD-System unerlässlich”, berichtet Etienne Clinquart, Direktor des Fassadenspezialisten Groven+. Wie kann man sich das vorstellen? “In einer Analyse ermittelten wir, wie viele verschiedene Module wir uns leisten konnten und wie viele Module wir brauchen würden, um den Zufallseffekt zu erzielen und etwaige Wiederholungen am ganzen Gebäude auszuschließen“, berichtet Joris Pauwels von dem Entstehungsprozess. Allein zwei Jahre verbrachten die Fassadenspezialisten mit dem 3D-Entwurf. Dieser muss genau passen, denn die Fassadenkomponenten wurden in den Werkstätten auf Basis des 3D-Modells vormontiert und erst auf der Baustelle sah man, ob alles passt. Hinzu kommt, dass kein Fassadenelement dem anderen glich. Das erfordert eine unvorstellbare Logistik und Organisation. Dass so etwas möglich ist, finde ich total faszinierend!
Doch damit nicht genug. Da die Lage des Port House mitten im Hafen sehr exponiert ist, führte Schüco im Vorfeld akustische Tests durch, um die Luft- und Wasserundurchlässigkeit zu garantieren. Zudem wurden Verformungsmessungen durchgeführt, um das Verhalten der Stahlkonstruktion zu simulieren. Die Ergebnisse flossen dann direkt in die Produktion ein.
Nachhaltiges Design mit Umweltzertifikat
In Zusammenarbeit mit der Energieberatungsfirma Ingenium entwickelten Zaha Hadid Architects ein nachhaltiges und energieeffizientes Design, das mit der Bewertung “sehr gut” durch das Umweltzertifikat BREEAM ausgezeichnet wurde. Für Wärme und Kühlung sorgt ein Erdwärmesystem, das an über 100 Orten im Gebäude aus 80 Meter Tiefe Wasser pumpt. Im Bestandsgebäude werden dafür Kühlbalken genutzt, im Neubau stehen Kühldecken zur Verfügung. Positiv zu Buche schlägt auch der Erhalt des alten Gebäudes und gute Einbindung in die Umgebung.
Die Planung und Umsetzung solcher großen Projekte ist immer spannend. Soll alter Gebäudebestand erhalten bleiben, stellt sich grundsätzlich die Frage: Den Neubau anpassen oder als Kontrast bewusst modern gestalten. Ich denke, beides hat in bestimmten Situationen seine Berechtigung. Bei diesem Beispiel sollte aber (selbst-)bewusst ein von Weitem sichtbares Zeichen für die Zukunft des Seehandels gesetzt werden. Wie findet Ihr das Ergebnis? Schreibt mir doch Eure Meinung!
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