Vor zwei Jahren habe ich für eine Zeitschrift einen Artikel über Universal Design geschrieben. Der Begriff begegnete mir dann einige Zeit in verschiedenen Medien, bald aber wurde es still um ihn. Ich fand dieses Thema aber sehr interessant und auch wichtig. In diesem Artikel möchte ich Euch berichten, warum mich das Thema Universal Design so nachhaltig beschäftigt und weshalb ich den Ansatz wichtig für Produkte des alltäglichen Lebens, für den Wohnbereich und auch für den öffentlichen Raum finde. Denn Universal Design macht unser aller Leben komfortabler und leichter.
Oft wird darüber geredet, wie man ein Haus oder eine Wohnung barrierefrei, kindgerecht, behindertengerecht oder fürs Alter fit machen kann. Warum sich aber erst Gedanken machen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und wir vielleicht dauerhaft eingeschränkt sind oder ein Kind durch unser Heim flitzt? Universal Design setzt hier viel früher an. Universelle Design sollte nämlich für jeden gut und leicht zu nutzen sein. In meinen Augen ist es viel sinnvoller, bereits beim Produktdesign auf die Nutzbarkeit zu achten. Wenn möglichst viele das Produkt nutzen können, dann ist das für alle Beteiligten ein Gewinn.
Ein Design, das jeder gut nutzen kann, ist ein Gewinn für alle. Klick um zu TweetenUnterscheiden muss man aber zwischen dem reinen Produktbereich und dem Wohn- oder Objektbau. Wenn ganze Räume oder Bereiche universal sein sollen, ist das natürlich wesentlich komplexer. Aber bleiben wir erst einmal bei den einzelnen Produkten. Wie in vielen Bereichen gibt es auch für das Universal Design einen jährlichen Award, den iF UNIVERSAL DESIGN AWARD 2016, bei dem entsprechende Produkte ausgezeichnet werden. Erst dachte ich, naja, noch eine Auszeichnung unter vielen. Aber dann war ich doch überrascht, was da so unter den Preisträgern vorgestellt wurde. Einige aus dem Bereich Wohnen möchte ich Euch gerne vorstellen.
Bodengleiche Duschen sind voll im Trend. Tolle Beispiele dazu habe ich auch schon hier auf meinem Blog vorgestellt. Aber was macht man, wenn man bereits eine tiefe Duschwanne hat? Hier setzt das Renovierungskonzept von Kermi an. “Point E65”, so der etwas sperrige Name des Duschboards, lässt sich nach Aussagen des Hersteller mit geringem Aufwand einbauen. Das hat auch die Expertenjury überzeugt. Zusammen mit den bodenfreien Schwingtüren finde ich das Ergebnis sehenswert. Natürlich kann man das Duschboard auch gleich beim Neubau verwenden. Bodengleiche Duschen sind nicht nur toll anzusehen, sie sind auch echt praktisch. Selbst ohne Einschränkung genießt man den komfortablen Einstieg und sie sind auch leichter zu putzen. Die Praxis zeigt es: je weniger Fugen, Ecken und Absätze, desto einfacher schwingt man den Putzlappen. Auch für Kinder ist der Zugang leicht und schon die ganz Kleinen können reinkrabbeln. Wer aus dem Alltag weiß, wie zeitauffändig Baden mit kleinen Kindern ist, freut sich, wenn der Spross die Dusche toll findet. Und natürlich ist eine bodengleiche Dusche auch viel leichter und sicherer zu betreten, wenn man mal eine Verletzung oder wirklich eine dauerhafte Bewegungseinschränkung hat oder im Alter einfach unsicher auf den Beinen ist.
Villeroy & Boch ist mit den Waschtisch-Varianten O.novo Vita vertreten. Ich verkneife mir an dieser Stelle die Bemerkung über die kreativen Produktbezeichnungen, vielleicht ist das an anderer Stelle mal ein Thema für eine Kolumne. Egal welcher Name, der Waschtisch kommt auf den ersten Blick sehr unspektakulär daher. Wo ist nun das Universal Design? Die Beschreibung gibt Aufschluss. Besonders die unsichtbare Griffrille an der Unterseite fand ich interessant. Im Bad passieren tatsächlich viele Stürze von Älteren, aber auch Schwangeren oder anderen, denen es kurzfristig schwindelig wird oder die unsicher auf den Beinen sind. Am Waschbecken und meist auch darum herum kann man sich schwer festhalten. Super, wenn es diese Griffleiste gibt. Natürlich kann sich damit auch ein Rollstuhlfahrer heranziehen, aber ich möchte zeigen, dass die Details ebenso in anderen Situationen vorteilhaft sind.
Universal Design – für den einen mehr Komfort und den anderen lebensnotwendig. Klick um zu TweetenUnd noch einmal geht es ums Bad: Stufenlos höhenverstellbare Waschtische und WCs sind auch für völlig gesunde Personen ein großer Komfort. Paare mit sehr unterschiedlichen Körpergrößen kennen das Problem, Waschtische und WCs in einer Höhe aufzuhängen, die für beide komfortabel sind. Wird man älter oder ist durch eine Operation eingeschränkt, ist man froh, wenn das WC nicht so tief unten ist. Zudem kann die Verstellbarkeit auch als Aufsteh-Hilfe fungieren. Für Kinder ist es natürlich klasse, wenn Waschtisch und WC für sie ohne Hocker erreichbar sind. Das Hewi S 50 von HEWI beispielsweise wurde aus diesen Gründen mit dem universal design award 2016 ausgezeichnet.
In unserer mobilen Welt spielen Flexibilität und Wandlungsfähigkeit eine große Rolle. Es verändern sich Familiensituationen, Lebensentwürfe und Nutzungsbedingungen unter Umständen sehr schnell. Gut, wenn der Lebensraum diese Veränderungen mitmacht. Dabei leben immer weniger Menschen auf einem immer größeren Raum, die Zahl der Single-Haushalte steigt ebenfalls stetig an. Das heißt, dass viele Menschen alleine leben und sich die klassische Raumaufteilungen nach Nutzungsbereichen teilweise auflösen. Modulare oder auch multifunktionale Möbel liegen da ganz im Trend. In der Präsentation der Award-Gewinner wird die Concept Kitchen von Naber vorgestellt. Ziel ist es, dass jeder sich seine persönliche Kochwerkstatt zusammenstellen und mit den vorhandenen Möbeln sowie Elektrogeräten kombinieren kann. Aus der ursprünglichen Idee wurde ein richtiges Einrichtungskonzept für jeden Raum. Das Concept-Kitchen-System besteht aus verschiedenen Modulen wie Arbeitsfläche mit integrierter Kochfläche, Spülzentrum, Rollwagen, Lagerregal und Technik-Tower, die beliebig je nach Bedarf angeordnet werden können. Mit dem Steckprinzip ist auch ein mehrfacher Auf- und Abbau unkompliziert. Umzüge, Umnutzung oder Erweiterungen sind problemlos möglich. Ein Möbelsystem also, dass die unterschiedlichen Lebensanforderungen vom Studi über die Familie bis hin zum Altersitz einfach mitmacht.
Modulares Möbelsystem macht flexibles Wohnen möglich. Klick um zu TweetenInteresssant wird das Ganze, wenn Häuser, Wohnblocks oder Stadtviertel nach den Grundsätzen des Universal Design entstehen. Wer ein Haus baut, ist in der glücklichen Lage, alles von Grund auf planen zu können. Ein durchdachter Grundriss ist die Basis für eine komfortable Wohnsituation, die sich den verschiedenen Lebensphasen anpasst. Ein großzügig gestalteter Eingangsbereich beispielsweise ist für Rollstuhlfahrer entscheidend, aber auch wenn Besuch kommt oder für Familien mit Kindern oder Hund erleichtert eine große Diele die täglichen Abläufe. Ebenfalls stark frequentiert und benutzt – die Treppen. Sie sind wichtige Verbindungen zwischen den Stockwerken und unterschiedlichen Wohnbereichen. Treppenaufgänge sollten breit genug sein, sicher und rutschfest begehbar und gut beleuchtet sein. Hierfür gibt es Richtwerte, die die jeweilige Einbausituation beachten. Wer dann tatsächlich mal einen Treppenlift braucht, ist froh, wenn die Mindestbreite von 100 Zentimetern eingehalten wurde und man nicht wegen zehn Zentimeter zu wenig ausziehen muss. Barrierefreiheit ist heute keine ausschließliches Thema von altersgerechtem Wohnen, sondern ein Gestaltungsmerkmal von moderner Architektur. Schwellenlose Übergänge von Raum zu Raum oder auch vom Wohnraum auf die Terrasse sehen beeindruckend aus, im Ernstfall sind sie aber sogar mit dem Rollstuhl machbar.
Im öffentlichen Raum bestehen für gehbehinderte Menschen oder Rollstuhlfahrer immer noch großen Hürden. Wer mal mit dem Kinderwagen unterwegs war, kann dies ein Stück weit nachvollziehen. Bei mir ist diese Zeit noch nicht so lange her und ich kann mich gut erinnern, dass ich oft Umwege laufen musste, weil Stufen oder Absätze für mich mit Kinderwagen unüberwindlich waren. In fremder Umgebung wird das dann unter Umständen zu einem echten Problem. Es macht einen auch unsicher, wenn man nicht genau weiß, ob und wie man sicher ans Ziel kommt. Läden, Busse, Bahnhöfe und Züge sind oftmals riesige Hindernisse. Hier ist der Ansatz des Universal Design besonders wichtig. Und zwar für alle – für den einen als erhöhten Komfort, für den anderen als lebenswichtige Grundlage, um überhaupt alleine zurecht zu kommen.
Ein wahnsinnig wichtiges Thema also für uns alle. Schreibt mir doch Eure Erfahrungen in einem Kommentar.
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