Noch bis zum 25. September haben Interessierte die Möglichkeit, in der Architekturgalerie am Weißenhof die Ausstellung “Stuttgart reißt sich ab – Plädoyer für den Erhalt stadbildprägender Gebäude” zu sehen. In Stuttgart wie in zahlreichen anderen Städten Deutschlands werden viele Gebäude abgerissen, um neue energieeffiziente Bauten zu errichten. Dabei gehen historische Zeitzeugen und das Stadtbild prägende Gebäude verloren. Die Ausstellung in Stuttgart widmet sich besonders den Gründerzeitbauten der 20er und 30er und der Nachkriegsmoderne. Die Fotos der Architektur-Fotografen Wilfried Dechau und Wolfram Janzer sowie Archiv-Aufnahmen zeigen bereits abgerissene Häuser, aber auch Beispiele, die erhalten wurden.
Die immer strikteren Anforderungen der Energieeinsparverordnung sowie der Brandschutzbestimmungen müssen oftmals als Begründung für eine Abrissentscheidung herhalten. In Stuttgart ist es aktuell zum Beispiel die ehemalige Mercedes-Benz-Niederlassung in der Tuerlenstraße, die ein Loch in das Stadtbild reißt. Die Kritiker meinen, dass man viele dieser Gebäude weiter hätte nutzen oder umnutzen können. Denn in jedem der Gebäude steckt die Energie, die bei ihrem Bau aufgewendet wurde. Diese sogenannte “Graue Energie” werde zu wenig berücksichtigt, so die Kritiker. Hinzu komme die Energie für den Abriss, den Transport und die Lagerung des Bauschutts und natürlich die Energie für den Neubau. Bevor der Neubau mit seiner Energieeinsparung all die verbrauchte Energie wieder aufgeholt hat, vergehen Jahrzehnte. Außerdem fordert Architekt Roland Ostertag, früherer Präsident der Bundesarchitektenkammer und Autor zahlreicher Bücher, in einem offenen Plädoyer in der Stuttgarter Zeitung: “Die Menschen haben das Bürgerrecht auf Geschichte, Architekturen, Städte, Orte, Räume, Denkmale, Landschaften.”
In der Ausstellung der Architekturgalerie zeigt eine große Wandtafel die Objekte, die in Stuttgart abgerissen wurden sowie die gefährdeten und geretteten. Manch ein Besucher steht nachdenklich vor der wandfüllenden Grafik – Gespräche entstehen, Erinnerungen und Erfahrungen werden ausgetauscht. Viele Gebäude kennt man seit seiner Kindheit und es ist schwer vorstellbar, dass sie einfach nicht mehr da sind. Doch es werden auch positive Beispiele gezeigt, die durch den Denkmalschutz, Initiativen oder das Engagement einzelner BürgerInnen vor dem Abriss gerettet wurden und heute in neuem Glanz erstrahlen. So zum Beispiel die Rheinstahlhalle Theaterhaus am Pragsattel, das Wilhelma Theater, das Bosch-Areal und auch die Weißenhofsiedlung selbst. Die Bilder der von Claudia Betke und Wilfried Dechau kuratierten Ausstellung zeigen wundervolle Momentaufnahmen würdevoller Gebäude, aber auch interessante und perfekt in Szene gesetzte Detailaufnahmen. Leider ist der Raum begrenzt, man könnte noch lange durch die Ausstellung schlendern und viele weitere Bilder anschauen.
Interessante Ausstellung in der Architekturgalerie am Weißenhof. Klick um zu TweetenWährend des Sommerfests auf dem Killesberg am Sonntag, den 17. Juli, führt Fotograf Wilfried Dechau um 16 Uhr durch die Ausstellung und steht den Besucher zum Gespräch zur Verfügung. Am 25. September findet die Finissage statt, bei der auch Prof. Roland Ostertag einen Vortrag mit dem Titel “Auch du kommst noch dran” hält.
Wer sich die Ausstellung anschauen möchte, kann dies in der Architekturgalerie am Weißenhof, Am Weißenhof 30 in Stuttgart von Mittwoch bis Freitag zwischen 14 und 18 Uhr und am Wochenende zwischen 12 und 18 Uhr tun. Der Eintritt ist frei.
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