
In bester Halbhöhenlage leben 55 Stuttgarter Studenten zwischen Großstadflair und Parkidylle. Der Killesberg, wo ein Haus schon mal für drei Millionen Euro den Besitzer wechselt, verspricht traumhafte Ausblicke, ein angenehmes Wohnumfeld sowie eine gute Anbindung zur City. Das Studierendenwerk Stuttgart bietet den Bewohnern der Birkenwaldstraße 91 ein neu saniertes Wohnheim mit architektonischem Anspruch und vielen Besonderheiten. „Unser neuestes Wohngebäude ist ein herausragendes Projekt, das schon alleine durch seine Lage mit Blick über den Stuttgarter Kessel für Begeisterung bei den Bewohnern sorgt“, freut sich Geschäftsführer Tobias M. Burchard. Ich war bei der Eröffnung des Wohnheims dabei und wäre am Liebsten wieder Studentin geworden.
Das schönste Studentenwohnheim der Welt bekommt Konkurrenz. Klick um zu Tweeten
Das legendäre Max-Kade-Wohnheim in Stadtmitte wirbt damit, das schönste Wohnheim der Welt zu sein. Die zentrale Lage, eine Dachterrasse mit dem besten Blick über die Stadt, einem hippen Graffiti im Treppenhaus und den angesagtesten Partys in Studentenkreisen machen es zur Adresse Nummer Eins. Bisher. Denn jetzt gibt es Konkurrenz. „Gott sei Dank aus den eigenen Reihen“, ist Abteilungsleiter Wohnen und Technik des Studierenden Werks Stuttgart Stefan Schneider froh. Das „B 91“, wie die Bewohner es liebevoll nennen, wurde am 5. Mai 2015 komplett neu saniert nach drei Jahren wieder eröffnet. Größte Herausforderung war die Neustrukturierung des Gebäudes aus dem Jahr 1966. Kleine Zimmer und Flurgemeinschaften mit nur einem Bad pro Flur waren nicht mehr zeitgemäß. Für Architekt Elmar Gauggel und sein Team von Labor Weltenbau galt es, die Wirtschaftlichkeit für die Betreiber zu erhalten und gleichzeitig ein modernes Wohnflair zu schaffen, das den aktuellen Anforderungen entspricht. Auch für ihn als Stuttgarter Kind war ein Projekt in der Halbhöhenlage Killesberg etwas Besonders. Die Möglichkeit hier mit einem von Weiten sichtbaren Gebäude „einen Fingerabdruck in der Stadt“ zu hinterlassen, ein reizvoller Auftrag.

Vom Aufenthaltsraum geht es auf die Terrasse mit Sitzgelegenheiten und kleinen Kräutergärtchen.
Beste Hanglage Stuttgarts auch in den Studi-Buden erlebbar. Klick um zu Tweeten
Um die Lebensqualität der Lage auch in den Räumen erlebbar zu machen, öffnet sich die neue Fassade mit großen Fensterflächen nach außen. Für Blickschutz sorgen satinierte Gläser im unteren Fensterrahmen. Die Möblierung lässt vor der Fensterfront bewusst Freiraum, damit die Ausblicke über die Stadt oder in den Garten genutzt werden können. Die Bewohner nehmen dies gerne in Anspruch. In vielen Räumen sieht man gemütliche Sessel an dieser Stelle stehen. Wo früher Flure den Grundriss prägten, sind jetzt 14 Wohnheiten mit 2er- bis 7er-WGs entstanden. Alle sind als familiäre Einheit um eine Wohnküche angeordnet. Gemeinsames Essen für eine engere Bindung zwischen den Bewohnern. Was in der Familie funktioniert, ist auch für WGs ein zentrales Element. „Uns war es besonders wichtig, die Kommunikation unter den Studierenden zu fördern“, erläutert Stefan Schneider. Im Erdgeschoss ist zusätzlich eine große Kommunikationsfläche entstanden. Als erweiterter Wohnraum dient der Aufenthaltsraum sowie ein Studier- und Seminarraum. Von dort aus geht es auf die Terrasse und in den Garten. Das Gefälle zur Terrasse hin, welches aufgrund der Hanglage gegeben ist, wurde geschickt für Sitzmöglichkeiten genutzt. Große alte Bäume umrahmen die Idylle, kleine Kräutergärten laden zum Gärtnern ein. Hier werden die Studis sicherlich viele laue Sommernächte verbringen.

B 91 saniertes Studenten-Wohnheim Stuttgart Aufenthaltsraum. Foto: Oliver Kern Fotografie
Jedes Zimmer im „B 91“ ist auf seine Art etwas Besonderes. Klick um zu Tweeten Auch ich kann mich bei der Besichtigung nicht entscheiden, ob ich den tollen Blick über den Talkessel besser finde oder die ruhige Lage in den Garten mit seinem üppigen Grün. Ob die größeren WG-Zimmer schöner sind oder die gemütlichen, etwas kleineren Dachstübchen. Klare rechtwinklige Grundrisse werden ebenso optimal ausgenutzt wie verwinkelte Zimmer. Überall herrscht ein großzügiges, helles Ambiente. Erstaunlich bei den tatsächlichen Quadratmeter-Angaben, die teilweise unter zehn Quadratmeter liegen. Vieles, was sich auf den ersten Blick für die Planer als Problem darstellte, macht jetzt im fertigen Zustand die Besonderheit aus. Marc Reysen, 26-jähriger Lehramtsstudent, ist erster Vorstand des selbstverwalteten Wohnheims. Er ist ein alter Hase und soll die Selbstverwaltung im „B 91“ ins Laufen bringen. Abgeworben wurde er vom Max-Kade-Wohnheim. Er konnte der Versuchung, in bester Wohnlage sein Studium zu beenden, nicht widerstehen und hatte die große Auswahl – denn er durfte sich ein Zimmer aussuchen. Sein persönliches Highlight ist ein Hochbett, das einer Zwischendecke zu verdanken ist, die nicht entfernt werden durfte. Die Verspieltheit und Begeisterung, mit der das gesamte Planungsteam diese Details geschaffen hat, ist überall im Haus zu spüren.

Eine Zwischendecke, die nicht entfernt werden durfte, wurde zum Hochbett umfunktioniert. Foto: Oliver Kern Fotografie
Neu entwickeltes Möbelkonzept für Studentenwohnheim passt sich flexibel an. Klick um zu Tweeten
Aufgrund der schwierigen Zimmergrößen wurde ein eigenes Möbelkonzept entwickelt. Die helle, schlichte Einrichtung bildet die Grundlage, die die Studenten dann individuell mit Farbe und Leben füllen sollen. Geschickte Gimmicks wie ein ausziehbarer Nachttisch, der tagsüber einfach unter dem Bett verschwindet, und Kleiderschränke mit großen Spiegeln in den Türen werden von den Studenten begeistern angenommen. Ein Blick in die verschiedenen Räume zeigt, wie viel Gestaltungsspielraum die Möblierung lässt. Jedes Mini-Reich sieht anders aus: Hier ein flauschiger Hochflorteppich im edlen Grau, dort fröhlich bunte Kissen. Manche Mädels drapieren ihren Schmuck oder farbige Tücher kunstvoll, sodass sie zur Deko werden. Bei den Jungs findet sich auch mal ein gediegener Ledersessel mit der griffbereiten Jack-Daniels-Flasche daneben. Magnetisch beschichtete Eingangstüren werden zur WG-Memowand. Mit Kreidebuchstaben wird sich für das leckere Essen letzten Abend bedankt oder mitgeteilt, wer wann nicht da ist. Mittels Magnet-Pins finden lustige Karten ihren Halt. Die Studenten zeigen strahlend ihr neues Heim und sind überglücklich in diesem schönen neuen und außergewöhnlichen Wohnheim einen Platz bekommen zu haben. Überall herrscht vergnügte Betriebsamkeit, die ansteckend wirkt.

Jede Küche hat ihren individuellen Charme und unterstreicht die jeweilgen Vorteile des Raumes. Foto: Oliver Kern Fotografie
Studierendenwerk Stuttgart setzt bei B 91 auf Konzept der Selbstverantwortung und des Vertrauens. Klick um zu Tweeten
In der hochwertigen Ausstattung, dem schönen Ambiente und der liebevoll bis ins Detail geplanten Gestaltung sollen sich die Studenten wohl fühlen. Der Gedanke dahinter: Wer sich wohl fühlt, erhält und pflegt auch sein Umfeld. Passé die klassischen Studentenbuden-Szenarien wie Geschirr-Stapel, die vom Essensplan der letzten zwei Wochen zeugen, schwarz eingebrannte Backöfen, versiffte Abflüsse und Wäscheberge, die dringend nach ein paar Tropfen Wasser mit einem Klecks Waschmittel schreien. Ein Konzept der Selbstverantwortung und des Vertrauens, auf das das Studierendenwerk Stuttgart setzt. 3,1 Millionen wurden in die Sanierung gesteckt. Eine gute Investition wie sich Betreiber und Studenten sicher sind. Auch ich zieh mit tollen Eindrücken von dannen und nehme etwas mit von der energiegeladenen Aufbruchsstimmung junger Menschen, die enthusiastisch in ihr eigens Leben starten.


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