
Wenn ein herausragendes Gebäude in meiner Geburtsstadt Stuttgart ausgezeichnet wird, berichte ich natürlich gerne darüber. Noch dazu, wenn ich es persönlich kenne und toll finde. Der Hospitalhof ist auf den Grundfesten eines 1500 fertiggestellten Dominikanerklosters errichtet. Das später als Hospital umgenutzte Gebäude, daher der Name, wurde im zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Der Nachkriegsbau war nicht mehr wirtschaftlich zu sanieren, deshalb wurde ein völliger neuer Hospitalhof erbaut, der nun auch mit dem Städtebaupreis 2016 ausgezeichnet wurde.
Wird mitten in einer Stadt ein so großes Gebäude neu gebaut, ist das ein maßgeblicher Einschnitt in das Stadtbild. Die Planung des neuen Hospitalhofs in Stuttgart ist deshalb so spannend. Und das Ergebnis erst recht! Das schreibe ich nicht nur, weil der Hospitalhof hochgelobt und ausgezeichnet wurde, sondern weil ich es als Besucher der Stadt selbst so empfinde. Lange war man gespannt, was hinter den Abschrankungen und Gerüsten zum Vorschein kommt. Da ich nicht ständig in der Stadt bin, war der Stand des Baus bei meinen Besuchen immer interessant für mich. Mein Weg in die Innenstadt führt meistens am Hospitalhof vorbei und der Fortgang der Sanierung lag quasi auf dem Weg. Als der fertige neue Hospitalhof sich dann 2014 endlich vollständig zeigte, war ich begeistert. Die Ausmaße sind enorm, was die Gefahr bergen könnte, dass der Bau zu mächtig wirkt und die umliegenden Flächen erdrückt. Doch keineswegs. Die Enthüllung zeigte ein Gebäude aus hellem Mauerziegel, das so geschickt mit den Fluchten, den Formen sowie Licht- und Schatten spielt, dass es sich bestens in das Stadtbild Stuttgarts integriert. Mich faszinieren immer wieder die Details der Fassaden. Runde Lichtaugen, kleine Überstände an jedem Fenster, aus der runden Ecke der Ziegelfassade hervorspringende Fensterkästen – es gibt viel zu entdecken. Tritt man etwas weiter weg und betrachtet die Fassade aus einiger Entfernung ergibt sich ein wunderschönes Gesamtbild.

Die Fassade ergibt eine wunderschöne Optik, die sich je nach Tageszeit und Lichteinfall anders präsentiert.
Bauten wie Kirchen, Schulen oder Rathäuser sind in einer Stadt etwas besonderes. Sie fallen aus dem normalen Bauraster heraus und stechen mit ihrer Erscheinung gleich ins Auge. Der Neubau des Hospitalhofes war also eine besondere Aufgabe an alle Beteiligten: Als zentraler Ort der evangelischen Kirche, wichtige Bildungs- und Kulturstätte und stadtbildprägender Ort mit Geschichte. “Natürlich wäre das Thema verfehlt gewesen, hätten wir den Vorschlag gewagt, die Kirche in ihrem Volumen wieder zu errichten”, so Architekt Professor Arno Lederer in seiner Beschreibung. Wieder aufgenommen wurden jedoch die zum Stadtgrundriss leicht verdrehten Baufluchten des ehemaligen Dominikanerklosters. Außerdem wurde die Langhauswand der ehemaligen Klosterkirche auf ihre ursprüngliche Ausdehnung verlängert, “um an den ursprünglichen Zusammenhang mit dem Platz wenigstens zu erinnern”. Der autofreie Platz erhielt einen neuen Plattenbelag sowie Baumbeet-Einfassungen. Der umschlossene Innenhof des Hospitalhofes orientiert sich am ehemaligen Kreuzgang des Klosters. Junge Bäume stehen an der Stelle der fehlenden Säulenreihen.
Der Hospitalhof in Stuttgart wurde mit dem Städtebaupreis 2016 ausgezeichnet! Klick um zu TweetenIn der Zwischenzeit habe ich den Hospitalhof auch von innen erlebt. Bei einer Veranstaltung im Saal des ersten Obergeschosses war ich von der tollen Atmosphäre und der guten Akustik beeindruckt. Die runden Lichtaugen von außen finden im Innern ihren Ausdruck in runden Faltklappen aus Holz. Diese können je nach Tageszeit und Lichteinfall mehr oder weniger aufgeklappt werden. Das macht ein tolles Licht, ohne zu blenden und die ganze Wand mit den unterschiedlich geöffneten Kreisen gibt ein angenehm lebendiges Bild ab. Ein großes Oberlicht versorgt den Raum zusätzlich mit Tageslicht. Die raffinierte Deckenkonstruktion aus Holz lässt es, ein wundervolles Schattenmuster erzeugend, hindurchscheinen.

Die runden Lichtaugen außen werden im Innern mit Faltklappen aus Holz variabel verschlossen.
Ein Traum in Weiß ist das Treppenhaus. Über die Etagen erstrecken sich die Treppen entlang weißer Wände und Decken. Je nach Blickwinkel und Lichteinfall ergibt sich ein fantastisches Spiel mit den Perspektiven. Licht und Schatten zaubern auf den unterschiedlichen Mauerabschnitten Dimensionen, die einen in Bann ziehen. Die grauen Treppenstufen bieten Halt und Orientierung. Überall, ob im Foyer, im Treppenhaus oder im Saal – es herrscht eine tolle Atmosphäre!
Ihr merkt, ich komme ins Schwärmen. Der Hospitalhof ist wirklich ein tolles Erlebnis. “Das Urteil über die Schönheit aber, das bleibt jedem Einzelnen überlassen”, schließt Architekt Arno Lederer seine Ausführungen. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich unbedingt selbst ein Bild machen. Viel Spaß dabei!
Fakten zum Hospitalhof in Stuttgart auf einen Blick:
⇒ Planer Hospitalhof: Lederer Ragnarsdóttir Oei
⇒ Planer Hospitalplatz: Baldauf Architekten und Stadtplaner, ISTW Planungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit: nps Bauprojektmanagement, Knippers Helbig Tragwerksplanung, Kuehn Bauer Ing. HLS-Planung, Raible + Partner ELT-Planung
⇒ Bauherr Hospitalhof: Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart
⇒ Bauherr Hospitalplatz: Landeshauptstadt Stuttgart
⇒ Bauphase 2012 bis 2014
⇒ Mehr zur Geschichte des Hospitalhofes hier
⇒ Bildergalerie des Hospitalhofes hier
⇒ Auszeichnung Städtebaupreis 2016 am 15.09.2016
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