
Im flächenmäßig zweitgrößten Binnenstaat der Welt mit der niedrigsten Bevölkerungsdichte weltweit entsteht eine Stadt aus dem Nichts: Wo vorher karge Steppe war, soll in zehn Jahren Maidar City existieren. Das Besondere: Maidar City soll nicht nur die neue Hauptstadt der Mongolei werden, sondern auch eine zertifizierte EcoCity sein. Architekt Stefan Schmitz hat diesen besonderen Auftrag bekommen und vor ca. drei Jahren mit der Planung begonnen. Was es bedeutet, eine EcoCity von Grund auf zu planen und mit den örtlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen, hat Architekt Schmitz bei der Auftaktveranstaltung der World Green Building Week in den Räumlichkeiten der DGNB in Stuttgart am 21. September 2015 eindrücklich beschrieben. Ich war von den Ausführungen und dem Projekt begeistert und möchte es Euch hier vorstellen.
Der ursprüngliche private Auftrag an Stefan Schmitz war schon spektakulär: Um eine riesige Buddha-Statue sollte eine kleine Stadt mit ca. 25.000 Einwohnern entstehen. Der Architekt und Stadtplaner ist mit seinem Büro bereits seit 2004 in China tätig. Dass die Dinge in der Mongolei anders als in Deutschland laufen, darauf war er vorbereitet. Was aus dem Projekt Maidar City in der Zwischenzeit geworden ist, dass hätte er sich anfangs sicher nicht träumen lassen. “Das kann das Projekt meines Lebens werden”, sagt Stefan Schmitz in einer Dokumentarreihe des WDR. Wann bekommt ein Stadtplaner einmal die Chance, eine Stadt von Grund auf zu planen? Die meisten vermutlich nie. Und der Kölner will es wenn, dann richtig machen. Ihm ist es wichtig, dass Maidar EcoCity eine zertifiziert nachhaltige Stadt wird. Damit dies gesichert ist, wurde schon früh die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hinzugezogen, die das Projekt im Juni 2015 mit einem Vorzertifikat in Gold ausgezeichnet hat.
In der mongolischen Steppe entsteht eine zertifizierte Ökostadt: Maidar City Klick um zu Tweeten
In konzentrisch rund um das buddhistische Zentrum angelegten Blocks , sollen bis zu 300.000 Einwohner leben. Foto: Stefan Schmitz Architekten
Doch zurück in die Mongolei: Die Hauptstadt heißt Ulaanbataar. Hier wohnen ungefähr 40 Prozent der Landbevölkerung, die teilweise in ihren Jurten um die Stadt leben, weil diese vollkommen überbevölkert ist. Eine Bauordnung gibt es nicht, Elektrizität ist grundsätzlich vorhanden, aber kein fließend Wasser. Im Winter wird alles verheizt, was Wärme verspricht, in diesen Regionen ist Rohkohle gängiges Heizmaterial. Das Ergebnis: Ulaanbataar ist hoffnungslos überfüllt, die Luft ist schlecht, das Wasser verschmutzt, die Kanalisation marode und die Verkehrsstaus drohen die Stadt zu ersticken. Hinzu kommt eine schlechte Infrastruktur. Maidar City, die Stadt nach deutschen Öko-Standards, soll die Lage in Ulaanbataar entspannen. So zieht das ursprüngliche Projekt einer kleinen Stadt immer größere Kreise – in zehn Jahren soll die neue Stadt in der grasbedeckten Hochebene für 200.000 Menschen eine Heimat sein.
Eine neue Hauptstadt soll die alte Ulaanbataar in der Mongolei entlasten. Klick um zu TweetenDoch an dieser Stelle grasen momentan noch Rinder, Wildpferde galoppieren durch die unendlich scheinende Steppe und eine Nomadenfamilie hat ihre Zelte aufgeschlagen. Einzig der Bau der Statue ist bereits im Gange. Die Beine von einem Betonsockel gehalten ragen unschlüssig in den blauen Himmel, ein roter Kran komplettiert das fast schon surreal erscheinende Bild. Später soll die riesige Buddha-Statue als religiöse Stätte im Zentrum von Maidar City stehen. Der innere heilige Bezirk wird von den Mongolen geplant, ein Stadtzentrum erfüllt mit buddhistischer Leere. Konzentrisch drum herum liegen die modernen Bauten und das Straßennetz der Ökostadt. “Wir geben dem Zentrum einen Rahmen”, beschreibt Stefan Schmitz die außergewöhnliche Situation.

Die Wasserversorgung wird über einen Trinkwassersee gewährleistet. Foto: Stefan Schmitz Architekten
Gebaut wird nur in den Tälern, die Hügel bleiben frei, “sodass man die Landschaft wie sie ist noch wahrnehmen kann”. Maidar City wird möglichst frei von Autoverkehr sein. In der Stadt der kurzen Wege soll es für jeden leicht möglich sein, Geschäfte, Ärzte und Arbeitsstätte zu erreichen. Die Zukunft liegt in Systemen wie Personal Rapid Transit, das Personen führerlos und ohne Fahrplan individuell auf Bestellung ans Ziel bringt. Die Stadt ist in Blöcke eingeteilt, in der die Bewohner alles wichtige fürs Leben vorfinden. Für asiatische Verhältnisse sind diese Blocks mit durchschnittlich 200 x 300 Meter eher klein. Im Vergleich dazu hat Peking mit 1.000 x 1.000 Meter pro Block ganz andere Dimensionen. Die Mischung aus Wohnungen, Büros, Hotels, Freizeitnutzung und Commercials wird es später ausmachen, ob die Blocks in sich funktionieren. Auch die Einwohnerdichte ist entscheidend: Mit 7.000 Einwohnern pro Quadratmeter wird Maidar City nach asiatischen Maßstäben überschaubar sein. Allerdings benötigt auch eine EcoCity eine gewisse Einwohnerdichte, damit die städtischen Strukturen überhaupt funktionieren.
Maidar EcoCity soll möglichst frei von Autoverkehr sein. Architekt Stefan Schmitz Klick um zu TweetenDie Wasserversorgung wird über einen Trinkwassersee gewährleistet, denn über das Grundwasser alleine kann die EcoCity nicht ausreichend versorgt werden. Bei Regen fließt das Wasser aus den Bergen in den See, zuvor wird es über Pflanzenbeete geführt, die es reinigen. Angelegte Bepflanzungen sollen die Wüste Gobi in Schach halten und dem Stadtbild einer EcoCity entsprechen. Wichtige Energiequelle ist die Sonne, die in der Mongolei auch im Winter reichlich scheint. Für die Häuser ist die passive Nutzung der Solarenergie besonders wichtig. Dies hat für die Planer wiederum die Folge, dass die Häuser einen entsprechenden Abstand haben müssen, damit die Sonnenstrahlen auch in die Wohnungen fallen können. Natürlich ist eine gut gedämmte Außenhülle der Gebäude wichtig. Die Warmwasser wird ausschließlich über Solar und Photovoltaik bereitet. Darüber hinaus wird ein modernes Kohlekraftwerk mit effizienter Kraftwärmekopplung entstehen. Obwohl dies natürlich nicht den Ökoansprüchen von Deutschland entspricht, ist Kohle in der Mongolei unter nachhaltigen Aspekten die erste Wahl als Energieträger. Denn Kohle gibt es vor Ort genügend.

Architekt Stefan Schmitz bei einer Pressekonferenz vor Ort im Beisein mit der mongolischen Bauministerin und dem Parlamentspräsidenten. Foto: Stefan Schmitz Architekten
Die Nachhaltigkeit nach einheitlichen Kriterien gibt es nicht. Sie ist immer die momentan bestmögliche Wahl unter den gegebenen Umständen und mit den vorhandenen Ressourcen. Die DGNB hat dazu ein ganzheitliches Zertifizierungssystem entwickelt, das 40 Nachhaltigkeitskriterien umfasst. Neben der Ökobilanz und der Risiken für das Umfeld, steht auch der Nutzerkomfort wie auch Aspekte der Recyclingfähigkeit im Fokus. Das Zertifizierungs-Verfahren durch die DGNB ist für Maidar EcoCity wichtig, damit die Qualitätssicherung bei der Bauausführung und der Inbetriebnahme eingehalten werden. Investoren müssen bereit sein, diesen Weg mitzugehen. “Was nützt eine schöne Planung, wenn es nicht umgesetzt wird”, deshalb setzt Stefan Schmitz auf Gespräche.
Das Nachhaltigkeits-Zertifikat ist für Maidar EcoCity zur Qualitätssicherung wichtig. Klick um zu TweetenUnd Maidar City kommt dank der Bemühungen des Architekts ihrer Verwirklichung immer näher: Der Grundstein ist bereits im Sommer 2014 gelegt worden. Offizieller Baustart ist für 2017 geplant. “Das kann man nicht voraussehen”, die Planer brauchen viel Geduld und einen langen Atem. Die Uhren in der Mongolei ticken anders, zudem hängt das Fortkommen von Maidar EcoCity auch von der wirtschaftlichen Situation des Landes ab. Doch im Geiste des Kölner Architekten ist Maidar EcoCity bereits mit Leben gefüllt: Eine Ökostadt nach deutschen Nachhaltigkeitskriterien mit Vorbildfunktion für ganz Asien. Die Realisation wird sicher das Projekt seines Lebens!
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